Ruanda Genozid Gedenktag

Ruanda Genozid Gedenktag

Ruanda Genozid Gedenktag

Ruanda Genozid Gedenktag

Momentan denken wir alle an die wachsenden Zahlen der Toten und die kritischer werdende Situation weltweit. Uns wird zunehmend bewusster, wie traumatisch der Tod vieler Menschen in kürzester Zeit für eine Gesellschaft ist. Außerdem wird uns etwas klarer, was es bedeutet, um sein eigenes Leben oder das der Mitmenschen zu bangen.

Auch, wenn Corona im Vordergrund steht, dürfen wir andere, wichtige Ereignisse nicht vergessen. Daher möchten wir heute, am 07. April, an die Opfer des Genozids in Ruanda vor 26 Jahren erinnern. In dieser ungewöhnlichen Zeit möchten wir Euch einladen, heute um 19:00 Uhr an einer virtuellen Gedenkveranstaltung und Diskussion teilzunehmen. 

Der Genozid in Ruanda wurde im Rahmen eines Konfliktes zwischen den beiden ruandischen Bevölkerungsgruppen Hutu und Tutsi verübt. Dieser Konflikt entwickelte sich maßgeblich infolge der Kolonialisierung, an der auch das deutsche Kaiserreich beteiligt war. Seit dem Genozid hat sich in Ruanda vieles positiv entwickelt. Die Ehrenamtlichen von Ingenieure ohne Grenzen unterstützen seit 2004 diese positiven Veränderungen mit verschiedenen Projekten.

UND SO GESCHAH ES – VON DER KOLONIALZEIT BIS HEUTE

Am 07. April 1994 begann der Genozid in Ruanda, bei dem die radikalen Hutu innerhalb weniger Wochen mehr als 800.000 Tutsi und gemäßigte Hutu töteten und mehr als 250.000 Frauen vergewaltigten – ein gewaltiger Blutzoll bei einer Bevölkerung von damals knapp 8 Mio. Einwohnern. Die Täter gehörten der Armee und den Milizen an oder kamen aus der Zivilbevölkerung. 

Auslöser der Gewalt war ein Flugzeugabschuss am 06.04.1994. Unbekannte Täter töteten dabei den damaligen ruandischen Präsidenten, einen Hutu. Anschließend riefen radikale Hutu dazu auf, alle in Ruanda lebenden Tutsi zu töten.

Die Ursachen dieses ethno-sozialen und politischen Konflikts reichen jedoch weit in die Geschichte zurück. Besonders mit dem Beginn der Kolonialzeit 1884 bündelten die deutschen und später – ab 1916 – belgischen Kolonialherren und Missionare die Staatsmacht in den Händen der Tutsi-Bevölkerung, die sie aufgrund ihrer Abstammung von dem biblischen Volk der Hamiten aus Äthiopien bevorzugten. Diese Rassentheorie wurde während der Kolonialzeit geradezu zur Staatsdoktrin und verursachte jahrzehntelang die Unterdrückung der Hutu durch die Tutsi. Mit dem Ende der Kolonialzeit 1959 kehrten sich die Machtverhältnisse um. Aufgrund eines bewaffneten Aufstands der Hutu änderten die Kolonialherren kurzerhand ihre Strategie der einseitigen Unterstützung der Tutsi hin zu demokratischen Wahlen. Es folgte die Machtübernahme der Hutu, die die Bevölkerungsmehrheit darstellten. Auch sie adaptierten das rassistische Gedankengut der Europäer und entwickelten daraus eine Art „schwarze Apartheit“, die eine Vertreibung der Tutsi in die Nachbarländer zur Folge hatte. In Uganda, einem der Nachbarstaaten, formte sich unter dem Rebellenführer Paul Kagame die Tutsi-Rebellengruppe „Ruandische Patriotische Front“ (RPF), die den entscheidenden Beitrag zum Ende der Gewalt 1994 leisten sollte.

Heute, 26 Jahre nach dem Massaker, leben in Ruanda über 12 Mio. Menschen beider Bevölkerungsgruppen friedlich, aber traumatisiert nebeneinander. Das Land zählt zu den afrikanischen Ländern mit starkem Wirtschaftswachstum – seit 2001, nach offiziellen Angaben, durchschnittlich 8%. Zudem wird ein deutlicher Rückgang von Armut, Arbeitslosigkeit und Kindersterblichkeit verzeichnet und das ruandische Parlament ist mit einem Frauenanteil von 64% weltweit führend. Trotz der vielen positiven Entwicklungen hat das Trauma des Genozids immer noch einen profunden Einfluss auf die Gesellschaft. Die Hutu-Mehrheit ist aktuell weitgehend von einer politischen Teilhabe ausgeschlossen.

INGENIEURE OHNE GRENZEN-EHRENAMTLICHE WERDEN AKTIV

Sandra Timmermann gehörte zu den ersten Ehrenamtlichen von Ingenieure ohne Grenzen, die in Ruanda aktiv wurden. Sie erzählt, wie sie überhaupt darauf gekommen ist, dort Brücken zu bauen: 

„Während meines Austauschsemesters im Jahr 2000 am Kigali Institute of Science and Technology (KIST) wurde ich von einem Studenten auf die Problematik aufmerksam gemacht, dass im ländlichen Raum zahlreiche Menschen bei dem Versuch, in der Regenzeit die Flüsse zu überqueren, ertrinken. Wir bildeten eine Arbeitsgruppe und sprachen mit Studierenden, die alle aus den unterschiedlichsten Teilen Ruandas kamen. Hierbei fanden wir viele Orte, an denen jedes Jahr Menschen sterben. Im Rahmen meiner Diplomarbeit wollte ich zusammen mit unserer Arbeitsgruppe ein „Systembrückenmodell“ entwickeln, das eine Erleichterung der Flussüberquerung im ländlichen Raum ermöglicht. Kurz bevor wir – zwei Studentinnen der FH Münster – für dieses Projekt und die Erstellung unserer Diplomarbeit nach Ruanda aufbrachen, wurde eine Brücke weggespült, die einer größeren Region den Zugang zu einem Krankenhaus ermöglichte. Es heißt, dass in dem halben Jahr ohne Brücke ca. 300 Menschen starben, entweder weil sie in den Fluten des Flusses umkamen oder weil sie das Krankenhaus nicht erreichen konnten. Die ruandisch-deutsche Arbeitsgruppe baute in dem halben Jahr dort eine Brücke wieder auf.

Nach dem Studium berichtete ich meinen Arbeitskollegen im Ingenieurbüro von dem ruandischen Brückenbau, unserer ruandisch-deutschen Arbeitsgruppe und der Notwendigkeit in Ruanda noch viele Brücken zu bauen. Schnell schlossen sich weitere Ingenieure zusammen mit der Idee, ähnliche Projekte zu verwirklichen. Da sich kurz vorher Ingenieure ohne Grenzen e.V. in Marburg gegründet hatte, trafen wir uns mit der Gründungsgruppe und stellten schnell fest, dass wir gleiche Vorstellungen von Projekten mit Projektpartnern auf Augenhöhe hatten. Deshalb schlossen wir uns Ingenieure ohne Grenzen an.“

Bei den ersten Projekten von Ingenieure ohne Grenzen in Ruanda drehte sich alles um Brücken. 2004 wurde eine erste Erkundung durch deutsche Studierende durchgeführt. In den folgenden Jahren bauten Ehrenamtliche (Studierende und Ingenieure) zusammen mit Studierenden des Kigali Institute of Science and Technology (KIST, 2013 umbenannt in University of Ruanda, College of Science and Technology (UR-CST)) in Ruanda Brücken. 2005 wurde eine Fußgängerbrücke am Standort Nyagisenyi gebaut. 2006 wurde dann eine alte Bailey-System-Brücke wiederaufgebaut. Die Brücke verbindet die Provinzen Kibuye und Gikongoro. Mit dieser Brücke können das große Krankenhaus in Kaduha sowie die Märkte und Gesundheitszentren in Biguhu wieder erreicht werden. 2008 wurde im Nordwesten Ruandas eine Fußgängerbrücke am Standort Vunga gebaut. Sie ersetzt eine alte Querung, die behelfsmäßig aus Baumstämmen errichtet worden war. Zwischen 2012 und 2013 wurde eine Fußgängerbrücke am Standort Kamajanga über den Fluss Giciye errichtet.

Das zweiwöchige Kompaktseminar „Fußgängerbrücken im ländlichen Raum in Ruanda“ wurde von 2010 bis 2016 jährlich von der Kompetenzgruppe Brücken- und Hochbau von Ingenieure ohne Grenzen am KIST (bzw. UR-CST) mit ruandischen Studierenden des Fachbereichs Bauingenieurwesen durchgeführt. Durch die Ausbildung von Bauingenieurstudierenden sollte vor Ort die Grundlage für die Entwicklung, Planung und Durchführung von Brückenbauprojekten geschaffen werden.

2014 wurden alle bisherigen Bemühungen ausgewertet. Ein wichtiger Baustein der Auswertung war die systematische Befragung der lokalen Bevölkerung. 

Ein weiteres Projekt von Ingenieure ohne Grenze konzentrierte sich zwischen 2011 und 2017 auf die Verbesserung der Wasserversorgung in Kirinda, einem Dorf drei Autostunden entfernt von der Hauptstadt Kigali. Ein neuer Regenwassertank und das Erneuern des bestehenden Rohrleitungssystems haben die Verfügbarkeit von Wasser deutlich gesteigert und führen zur Erleichterung der alltäglichen Arbeiten. 

Auch unser aktuelles Projekt in Ruanda befasst sich mit der Wasserversorgung und zwar an der Schule „Groupe scolaire de Karambi“, an der mehr als 2000 Schüler und Schülerinnen lernen und es zwei, nur teilweise nutzbare Wasseranschlüsse gibt.  Um eine kontinuierliche Wasserverfügbarkeit an der Schule zu ermöglichen, sollen auch hier Regenwassertanks errichtet und an die Dachflächen der Schulgebäude angeschlossen werden. Zudem sollen Quellwassertanks die teilweise unterbrochene Zufuhr des bestehenden Systems überbrücken.

Wir laden Euch spontan ein, an unserer virtuellen Veranstaltung heute Abend um 19:00 Uhr teilzunehmen. In dieser Veranstaltung erfahrt Ihr mehr über die Situation in Ruanda, wie Ingenieure ohne Grenzen überhaupt begann, in Ruanda zu arbeiten und was wir in der Zukunft in Ruanda vorhaben. Bitte meldet Euch bei jessica.eitelberg at ingenieure-ohne-grenzen.org an. Frau Eitelberg schickt Euch gerne rechtzeitig den Link zur Veranstaltung.

Mehr Infos zum aktuellen Projekt in Ruanda findet Ihr hier.