Ausgangssituation
Kenia ist in sieben Provinzen gegliedert, die sich wiederum in insgesamt 46 Distrikte aufteilen. Einer von diesen ist Laikipia, gelegen in der Provinz Rift Valley im Herzen von Kenia. Die Menschen in Laikipia leben fast ausschließlich von Landwirtschaft; Viehzucht, sowie Gemüse- und Getreideanbau sind dabei vorherrschend. Meist handelt es sich um Subsistenzwirtschaft, das heißt die Kleinbauern produzieren vor allem für den eigenen Bedarf und erwirtschaften nur kleine Überschüsse, die sie auf dem Markt verkaufen. Die Erträge der Landwirtschaft sind stark abhängig vom saisonalen Wetterverlauf.
Das Projektgebiet liegt in der Umgebung des Dorfes Sipili und befindet sich im Westen von Laikipia. Es erstreckt sich, ausgehend vom Dorfkern von Sipili, über ein Gebiet von mehreren Quadratkilometern, in dem sich jeweils einzelne Gehöfte oder Häusergruppen finden. In Laikipia herrscht jedoch ein semi-arides Klima; dies bedeutet, dass in sechs bis neun Monaten pro Jahr die Verdunstung größer ist als der Niederschlag. Ausreichend Niederschlag fällt ausschließlich während den zwei bis drei Regenzeiten im Frühjahr, Sommer und Winter. Die Verlässlichkeit der Regenzeiten hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Konnte sich die Bevölkerung früher auf das pünktliche Eintreffen der Regenfälle verlassen, kann es heute vorkommen, dass sich Regenzeiten verschieben, nur geschwächt auftreten oder gar ausfallen. Dies war vor allem während der Dürre 2017 der Fall, bei der es von August 2016 bis Juli 2017 nicht geregnet hatte. Die Dürre führte dazu, dass sämtliche Oberflächengewässer austrockneten und gepflanztes Saatgut verkümmerte
Ausgefallene Regenereignisse haben verheerende Konsequenzen für die dortige Bevölkerung, die in der Landwirtschaft auf das Regenwasser angewiesen ist, da in den ländlichen Gebieten der Region Laikipia keine flächendeckende öffentlich organisierte Wasserversorgung existiert. Die Bevölkerung nutzt Oberflächen- und Grundwasser aus einem der wenigen öffentlichen oder privaten Brunnen. Die Wasserqualität dieser Quellen ist in der Regel mangelhaft und Ursache verschiedener Krankheiten. Das Grundwasser hat meist einen hohen Fluoridgehalt, was zu schweren Dental- und Skelettfluorose führen kann. Die mikrobiologische Wasserqualität der Oberflächengewässer (Staudämme, Wasserlöcher) stellt ein hohes Gesundheitsrisiko insbesondere für Kinder dar. Die Entfernungen, die die Frauen und Kinder zu diesen Wasserstellen mehrmals täglich zurücklegen müssen, können in Trockenzeiten bis zu 10 km betragen.
Projektbeschreibung
Mikrofinanzsystem
Um sich unabhängiger von den saisonalen Ernteerträgen zu machen und ein nachhaltiges Wachstum aus eigener Kraft zu ermöglichen, wurde im Jahr 2008 ein Mikrofinanzsystem auf Basis sogenannter „Tischbanken“ eingeführt. Der Zweck einer Tischbank besteht darin, zur Verfügung stehendes Geld der Nutzergruppe zu bündeln und es dem Einzelnen zu ermöglichen sich Geld zu gemeinschaftlich festgelegten Bedingungen zu leihen.
Die Vergabe von Mikrokrediten an die Familien ermöglicht die Durchführung von Kleinprojekten wie Ackerbau, Viehzucht oder der Bezahlung von Schulgebühren und gestattet so die Überbrückung von Dürreperioden mit einhergehenden Ernteausfällen und Einkommenseinbrüchen. Besonders erwähnenswert sind beispielsweise das Melonenfeld von Mary Maina und die von Veronicah Kemunto errichtete Baumschule.
Um das Mikrofinanzsystem weiter zu verbessern, den Nutzen und die Partizipationsmöglichkeiten der lokalen Familien zu erhöhen und langfristig größere Projekte zu ermöglichen schlossen sich 2013 mehrere Nutzergruppen zu einer Dachorganisation zusammen. Im Rahmen dessen entstand eine Co-Operative, eine Gesellschaft kenianischem Rechts, namens „Seeds of Life“. Derzeit besteht die Co-Operative aus neun Nutzergruppen, die sich monatlich treffen und gemeinsam ihre Lebenssituation verbessern möchten. Nutzergruppen zahlen eine einmalige Aufnahmegebühr und später regelmäßig ihre Ersparnisse in ein gemeinsames Konto ein. Die Co-Operative übernimmt langfristig die Funktion einer Genossenschaftsbank und kann den Nutzergruppen Geld für die Vergabe von Mikrokrediten zur Verfügung stellen. Mit Hilfe der Erträge aus der Kreditvergabe kann der Bau von Zisternen und anderen größeren Projekte langfristig finanziert werden.
Nachhaltigkeit fördern – Wissen teilen
Wie bereits am erfolgreich implementierten Mikrofinanzsystem deutlich wird, nimmt besonders die Nachhaltigkeit in unserem Projekt einen hohen Stellenwert ein. Wir wollen ein Projekt gestalten, das nicht von oben herab geleitet wird, sondern von der aktiven Beteiligung der Unterstützten lebt. Denn nur auf der Basis von Zusammenarbeit kann das Projekt auf Dauer Bestand haben und auch nachfolgende Generationen davon profitieren. In unserem Projekt arbeiten verschiedenste Personen und Organe zusammen. Neben lokalen Unterstützern für den Bau der Zisternen und Ingenieure ohne Grenzen sind vor allem die begünstigten Familien ein wichtiger Projektbestandteil. Einzelne Familien organisieren sich in Nutzergruppen und diese schließen sich wiederum in eine Co-Operative zusammen, um eine nachhaltige Projektentwicklung zu gewährleisten und erlerntes Wissen weiterzugeben.
Für eine erfolgreiche, nachhaltige Umsetzung des Projekts ist es notwendig, dass sich jeder Beteiligte seiner Verantwortlichkeiten und Aufgaben bewusst ist. Die Bauarbeiter benötigen ein fundiertes Know-How darüber, wie eine funktionstüchtige und langlebige Zisterne gebaut wird, aber auch die Familien benötigen ausreichende Kenntnisse zur Pflege der Zisternen und über die Nutzung des Mikrofinanzsystems. Um dies zu gewährleisten, bieten wir diverse Workshops zur Aufklärung und Weiterbildung an und stehen in regem Austausch mit den Nutzern und unseren Projektpartnern vor Ort – Aber das ist noch nicht alles. Zur Nachhaltigkeit gehört ebenfalls, dass das Projekt nicht dauerhaft von dem Einsatz von Ingenieure ohne Grenzen abhängig bleiben darf. Um den Schritt in die Eigenständigkeit des Projekts zu unterstützen, wollen wir zur Weitergabe von Informationen über den Bau und die Wartung der Zisternen, den richtigen Umgang mit Wasser und den Nutzen des Mikrofinanzsystems für die Region, kompetente Sachkundige ausbilden, die das Projekt in Zukunft selbstständig fortführen können. – ganz im Sinne der Grundidee des Vereins: Hilfe zur Selbsthilfe.
Technische Aspekte
Der technische Aspekt des Projektes umfasst alle Themen rund um die Konstruktion und Auslegung der Zisterne. So fließen die Erfahrungen aus den vorangegangenen Projektphasen in die Validierung der Auslegung und in die Optimierung der Bauqualität. Schritt für Schritt werden neue Bautechniken erarbeitet und mit Leuten vor Ort diskutiert und implementiert. Dies umfasst ebenfalls Systeme zur Erhöhung der Wasserqualität. So werden standardmäßig First-Flush-Systeme an den Zuläufen installiert, um Verunreinigungen des Regenwassers zu minimieren.
Beim letzten Aufenthalt 2017 in Laikipia wurde ein Datenloggers installiert. Dieser hat Daten über den Füllstand einer exemplarischen Zisterne über den Zeitraum von etwa einem Jahr übermittelt. 2016 wurde eine neue Dachschalung entwickelt, um Korrosion an der Armierung des Daches vorzubeugen. Die neue Konstruktion aus stählernen Schalungselementen stellt eine deutliche Qualitätsverbesserung im Vergleich zu der bisher eingesetzten flexiblen Schalung aus Armierungsmatten und Folien dar.
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Nicolas Starck
Ansprechpartner Projekt ROCK
nicolas.starck [at] ingenieure-ohne-grenzen.org
Christina Stemberg
Ansprechpartnerin Projekt ROCK
christina.stemberg [at] web.de