Ausgangssituation
Ein großer Teil der heranwachsenden Landbevölkerung Nepals hat nach seiner Schulausbildung die Wahl zwischen mühsamer Subsistenzwirtschaft, Landflucht in die Hauptstadt Kathmandu oder Arbeitsmigration in die Golfstaaten. Die Chancen für junge Menschen auf ein ausreichendes und geregeltes Einkommen in ihrer Heimatregion sind gering.
In den abgelegenen Regionen des Himalayas ist kein öffentliches Stromnetz vorhanden. Kleine Wasserkraftwerke sind häufig die einzige gemeinsame Stromquelle für Dorfgemeinschaften. Jedoch kommt es aufgrund von Konstruktionsmängeln und fehlender Wartung immer wieder zu Störungen und Ausfällen.
Unter der mangelnden Versorgung mit Elektrizität leider besonders die Schulen und ihre Schüler*innen. Eine effektive Bildung und das Erlernen des Umgangs mit Strom ist schwer möglich, wird aber für eine Karriere vorausgesetzt.
Durch das fehlende Wissen und mangelnde finanzielle Mittel sind Verbesserungen der Stromversorgung fast aussichtslos und vorhandene Installation oft ungesichert und nicht fachgerecht gewartet. Nicht funktionierende Sicherheitsmechanismen, fehlende Regelkenntnis und ein fehlendes Bewusstsein im Umgang mit Strom in der Bevölkerung führen zu einem erhöhten Risiko von Unfällen.
Gleichzeitig ermöglicht eine intakte Stromversorgung den Menschen vor Ort die Kommunikation mit der Außenwelt. Licht in den Abendstunden bedeutet eine Chance auf bessere Bildung. Darüber hinaus bietet eine nachhaltige, zuverlässige Energieversorgung die Grundlage für den Aufbau kleiner lokaler Betriebe. Landwirtschaft wird somit effektiver und einfacher.
In anderen Regionen zeigen sich bei der Umsetzung der beschriebenen Maßnahmen bereits erste Erfolge und eine Steigerung der Lebensqualität.
Projektbeschreibung
Ziel des Projektes ist es, all die beschriebenen positiven Effekte einer nachhaltigen, zuverlässigen Stromversorgung in der Zielregion zu erreichen. Dies geschieht durch die direkte Unterstützung und Zusammenarbeit mit den Bewohnern, denen es an Alltagserfahrungen im Umgang mit Strom mangelt, und den Kraftwerkbetreibern. Spezielle Bildungsprogramme und verbesserte Elektroinstallationen schaffen zusätzlich einen sicheren Umgang mit Strom.
Anfangs lag der Fokus des Projektes darauf, die Wasserkraftwerke in der Region zu warten oder zu verbessern und gleichzeitig Freiwillige auszubilden. Inzwischen hat sich jedoch die Photovoltaik als bessere Alternative etabliert. Im Laufe des Projektes sollen Schulen des Lower Solukhumbu als zentraler Ort der Dorfgemeinschaft mit PV-Anlagen ausgerüstet werden. Gleichzeitig werden die Schulgebäude verkabelt, geerdet und mit Blitzschutz ausgestattet. So können sie als Rückzugsort bei starken Gewittern dienen, in einer Region mit außergewöhnlich hoher Todesrate durch Blitzschläge. Abgerundet wird das Konzept durch eine Schulung von Freiwilligen in Themen Haustechnik und PV-Anlage, die auch helfen die Schule auszurüsten. So stellen wir einen nachhaltigen Betrieb der Anlagen sicher. Ganz nach unserem Leitgedanken Hilfe zur Selbsthilfe.
Im Jahr 2016 haben wir durch eine Erkundungsausreise feststellen können, dass die Kraftwerke in der Region aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht instand gehalten werden können. Aus dem gleichen Grund können oftmals nicht alle Sicherheitsaspekte eingehalten werden. Beispiele sind fehlende Erdungen, schlecht ausgeführte Verkabelungen und tiefhängende Stromleitungen.
Im Frühjahr 2018 starteten wir unsere Ausreise in das Dorf Thulodhunga, ein Ort im Lower Solukhumbu Distrikt. Dort schlossen wir eine öffentliche Schule fachgerecht an das lokale Stromnetz an und haben die Schule fachgerecht verkabelt. In Kooperation mit dem engagierten Lehrpersonal vor Ort wurden Kenntnisse zum Thema Strom und Stromsicherheit in eigenen Unterrichtseinheiten an die Schüler weitergegeben, sowie junge Bewohner des Dorfes angeleitet Verkabelungen und Reparationen selbst auszuführen.
Dadurch, dass die verwendeten Materialien alle vor Ort erhältlich sind, wurde für die Bewohner eine Möglichkeit geschaffen, angewendete Techniken nachhaltig zu adaptieren.
Im Laufe der Pandemie war eine Ausreise leider nicht möglich, dennoch konnten wir mit unserem Projektpartner Classrooms in the Clouds zwei Hilfspakete für ein dutzend Schulen in der Region organisieren. Dabei wurden wiederverwendbare Masken, Seife und Desinfektionsmittel finanziert und vor Ort verteilt, um einen sicheren Schulbetrieb zu ermöglichen.
Im Jahr 2019 fand die Inspektion des Wasserkraftwerks in Thulodhunga durch einen nepalesischen Wasserkraftingenieur statt. Die Kapazität des Kraftwerks stellte sich als nahezu ausgeschöpft heraus und wird somit dem raschen Bevölkerungswachstum nicht gerecht. Außerdem ist das hohe Alter der Anlage von Nachteil und regt dazu an, neue Konzepte zur nachhaltigen Energieversorgung zu finden.
Ausreise 2022
Nach der Inspektion 2019 stand fest, dass sich Situation der Energieversorgung für die Schule in Thulodhunga auf lange Sicht wandeln muss. Alternativ zum Wasserkraftwerk wird derzeit eine Photovoltaikanlage geplant. 2022 konnten wir wieder ausreisen und vor Ort eine sehr hilfreiche Vorbereitung und Erkundung durchführen.
Die Schule in Sotang hingegen besaß bereits eine zuverlässige Stromversorgung. Allerdings fehlten wichtige Verkabelungen, Vorrichtungen zum Blitzschutz und elektrische Ausstattung. Beim dortigen Aufenthalt wurde die Schule vollständig mit Licht, Stromanschlüssen, Erdung und Blitzschutz ausgestattet.
Wie bereits beschrieben, sind die Kenntnisse über Elektrizität in der Projektregion sehr begrenzt. Über Nutzungsmöglichkeiten und Gefahren bei dem Umgang mit Strom fehlen den Einwohnern teilweise wichtige Kenntnisse, weshalb unsere Ausreise auch einen Wissenstransfer zum Ziel hatte.
Während des Aufenthalts in Sotang wurde durch ein gezieltes Bildungsprogramm wertvolles Wissen weitergegeben. Mit 25 Interessierten fand die Schulung einen breiten Anklang und es wurde ein Bautrupp im Umgang mit Strom geschult.
Um nicht nur eine einzige Klasse, sondern gleich mehrere Schulen mit dem verfügbaren Wissen zu versorgen, fand als abschließendes Event eine „Science Fair“ statt. Hier konnten 1200 Schüler eine Vielzahl an Experimenten aus dem MINT Bereich gemeinsam umsetzen und einander präsentieren. Für die Region ein sicher historisches Event, das große Neugier weckte und in guter Erinnerung bleibt.
Trotz der anspruchsvollen Umsetzung war die Ausreise ein voller Erfolg.
Ausreise 2023
Im Frühjahr 2023 sind wir mit einem dreiköpfigen Team nach Nepal ausgereist. Nach einer ausführlichen Konzeption wurde eine neue Photovoltaikanlage an der Schule in Thulodhunga installiert. Somit wird für eine nachhaltige, zuverlässige Stromversorgung der Schule gesorgt. Zusätzlich wurde die Schule in Zusammenarbeit mit einem lokalen Team sicher verkabelt. Dafür wurden Erdungen verbaut, ein Blitzschutzsystem installiert und es fand eine themenbezogene Weiterbildung statt.
Ausreise 2024
Derzeit sind drei unserer Teammitglieder vor Ort in Nepal, um gemeinsam mit unserem Projektpartner CITC unsere letzten beiden Implementierungen zu evaluieren, den Projektzyklus abzuschließen und gleichzeitig zu prüfen, ob und wie wir mit unserem technischen Know-how weiterhin einen Mehrwert vor Ort schaffen können.
Unser Ziel ist es, mit den technischen Maßnahmen die Schule dabei zu unterstützen, Verbesserungen für den Schulalltag und den Alltag der Anwohner zu erreichen und dazu beizutragen, den Lebensstandard in den ländlichen Regionen Nepals weiter zu erhöhen.
Besuchen Sie unseren Projekt-Blog, um regelmäßige Updates über unsere Aktivitäten und Fortschritte zu erhalten.
Vorangegangene Projekte
Phugmoche ist eine kleine Ortschaft mit einer Schule und einem buddhistischen Kloster und etwa 2–3 Tage zu Fuß von Thulodhunga entfernt. In Phugmoche fiel das vorhanden Wasserkraftwerk mit ca. 35 kW elektrischer Leistung 2010 für anderthalb Jahre aufgrund der oben geschilderten Gründe aus. Im Rahmen unserer Instandsetzung in 2011/2012 wurde nicht nur die Reparatur für eine erneute Inbetriebnahme vorgenommen, sondern auch die Betriebssicherheit verbessert: Dabei wurde eine Notabschaltung installiert, das Stromnetz generalüberholt und der Blitzschutz im Hinblick auf die Monsunzeit verbessert. In die einzelnen Arbeitsschritte wurde der ortsansässige Kraftwerkstechniker systematisch eingebunden, der nun die Anlage weiterhin eigenständig betreut. Als Ergebnis hat sich ein sehr stabiler Betrieb eingestellt, der eine dauerhafte Stromversorgung gewährleistet. Nach einem starken Erdbeben im Mai 2015 konnte der Kraftwerkstechniker zum Beispiel Notunterkünfte an die Stromversorgung selbständig anschließen.
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Matthias May
Projektansprechpartner
matthias.may [at] ingenieure-ohne-grenzen.org
Magdalena Lützig
Stellvertretende Projektansprechpartnerin
magdalena.luetzig [at] ingenieure-ohne-grenzen.org (magdalena[dot]luetzig[at]ingenieure-ohne-grenzen[dot]org)
Simon Schnürer
Stellvertretender Projektansprechpartner